Beschreibung
Im Zentrum dieser Studie stehen erzählte Lebensgeschichten von Familienunternehmern. Auf den Schultern solcher Unternehmer ruht in erheblichem Maße der volkswirtschaftliche Erfolg der Bundesrepublik Deutschland. In wirtschaftlichen Krisenzeiten können diese eine solide Basis für Aufschwung und Beschäftigung bieten. Eine regional geprägte Unternehmenskultur, eine enge Verstrickung zwischen Eigentum und Führung und zudem ein oft über Jahrzehnte vorhandener Mitarbeiterstamm kennzeichnen diese Unternehmen. Der Familienunternehmer spielt hierbei den Dreh- und Angelpunkt bei der Unternehmensführung. So kann sich beispielsweise eine verzögerte Unternehmensübergabe negativ auf die gesamte Volkswirtschaft auswirken.
Die Unternehmensübergabe – als besonderes kritisches Ereignis im Leben eines Unternehmers — wird in dieser Studie als natürliches „Krisenexperiment“ verwendet, um nachzuweisen, mit welchen Strategien der Familienunternehmer sein Unternehmerdasein aufrechterhält. Denn Familienunternehmer scheinen am Unternehmen zu „kleben“ und eine Abgabe ihrer Führungsherrschaft hinauszuschieben. Verhaltensweisen eines „Denkmalpflegers“ oder „Platzhalters“ kommen im Generationswechsel oft zum Vorschein. So muten Familienunternehmer wie Inseln (veralteter) Traditionen inmitten von Individuen mit unterschiedlichen Teilidentitäten in unserer modernen Gesellschaft an.
Die Analyse zeigt anhand von ermittelten Identitätsmustern, wie Familienunternehmer in einem Spannungsfeld widersprüchlicher Erwartungen, ein neuer Mitarbeiter angelockt, aber dann die Identität als „Pionier“beibehalten wird. Welches Verständnis vom „Unternehmersein“ steckt dahinter? Zunächst hat dieses Verhalten betriebswirtschaftlicheKonsequenzen, denn der neue Mitarbeiter bleibt nicht lange im Betriebund ein Ersatz muss gefunden werden.Wie eine Person 2 von anderen Menschen wahrgenommen wird, hängt stark davon ab, inwieweit sie den eigenen „Inhalt“ anhand einer äußerenForm (Verhalten, Kommunikationsstil, Statussymbole, Äußeres etc.)vermitteln kann. Die Person wird in eben dieser Form von anderenwahrgenommen, was nicht unbedingt dem entspricht, was sie„wirklich“ ist. In der obigen Episode stimmte der erste Eindruck vomSeniorchef („innovativer Betriebsinhaber, der sein Unternehmen inandere Hände abgeben möchte“) nicht mit dem sich späterabzeichnenden Bild überein („dominanter „Herrscher, dessen altgewohnte Verfügungsgewalt bis in die kleinste Entscheidunghineinreicht“). Eine „neutrale“ Atmosphäre im Sinne einer arbeitsweltlich geprägten,rationalen, betriebswirtschaftlichen Stimmung sucht ein neuerMitarbeiter in diesem Familienunternehmen vergeblich. Unbeirrbar (be-)hält der Alt-Unternehmer seine Führungsposition. Die an ihn gestellte Erwartung eines sukzessiven Rückzugs aus der Firmenführung erfüllt er nicht. Der Senior untermauert seine unternehmerische Führungsrolle mit einer dominanten Selbstbehauptung in der Rolle des „Unternehmers“,die er betriebsrechtlich nicht mehr inne hat, da er seine Weisungsbefugnis an den Vertriebsmanager abgegeben hat. Die Selbstdarstellung des Unternehmers funktioniert in diesem Fall gut und sein Konzept geht auf – aufgrund der Bestätigung der Rolle „Chef“, die ihm von den Mitarbeitern in Form der Ausführung seiner betrieblichen Weisungen entgegengebracht wird. Somit demontiert er die Kompetenz des „Neuen“ vor allen Betriebsangehörigen.Deutlich wird hier, dass eine Identität immer die Anerkennung anderer benötigt. Pichler (2000) listet in diesem Zusammenhang Unterschiede von Managern in Großunternehmen und Familienunternehmern auf:Während Manager austauschbar seien, würden Familienunternehmenvon Eigentümer-Unternehmern geleitet, die ihre eigene Führung für kaum ersetzbar hielten. Der Nachfolger im obigen Beispiel macht wie andere Führungskräfte,die vormals erfolgreich in Großkonzernen tätig waren und dann in ein geschlechtsspezifischer Ungleichheiten, Anforderungen der modernen Gesellschaft eine Kunstfertigkeit der Selbststeuerung in einem Leben in ihrer Exklusivrolle als Unternehmer leisten.Familienunternehmen wechseln, die bittere Erfahrung, dass „zwischenden gewöhnlich theoretischen Vorstellungen und der Bereitschaft, imunternehmerischen Alltag alte Strukturen aufzubrechen, Welten liegen“(Bäcker 2004: 88). Wer glaubt, ein Familienunternehmer gäbe in seiner Rentenphase seinen Beruf und die damit verbundene soziale Positionauf, der irrt sich gewaltig. Das Beharrungsvermögen und die Standfestigkeit der Altinhaber werden fast immer unterschätzt. „EinUnternehmer bleibt immer ein Unternehmer!“ So resümiert Dirk Baecker(1998: 18) das Verhalten von Familienunternehmern beim Übergang in den Ruhestand und der Übertragung des Betriebes an die nächste Generation.Aus soziologischem Interesse ist zu überlegen, welche sozialenKonsequenzen dieses Identitätsverständnis für den Unternehmer auf interaktionistischer wie auch auf individueller Ebene mit sich bringt. Als dritte Dimension sind die gesamtgesellschaftlichen Bedingungen auf der Makroebene und die sozialen Bedingungen im Leben des Unternehmersauf der Mikroebene, die zu seinem Verhalten geführt haben, zuüberprüfen. Die vorliegende Arbeit möchte das Verständnis von Identität, das Familienunternehmer aufgrund ihres Unternehmerseins haben, als soziales Phänomen aufgreifen, um sich näher mit der Frage zu befassen,welche Ursachen für das auszumachende Identitätsverständnis als Familienunternehmer in den einzelnen biografischen Phasen im Lebenslauf verantwortlich sind und mit welchen Strategien und mit welchen Konsequenzen diese Identität aufrechterhalten wird.Die Antwort ist im biografisch gewachsenen Identitätsverständnis des Unternehmers zu suchen – in seiner Kindheit und Jugend, im Erwachsenenalter und schließlich auch in seiner letzten (Nacherwerbs-)Lebensphase – verflochten mit den gesellschaftlichen Prozessen der Enttraditionalisierung, Differenzierung und Individualisierung in dermodernen Bundesrepublik Deutschland.