Vorwort |
<p>Was fällt uns ein, wenn wir heute an August Wilhelm Iffland denken? Ein Straßenname in München, Mannheim, Berlin oder Hannover, der Iffland-Ring; und dann ist auch meistens schon Schluß.<br /><br />Tatsächlich war Iffland Teil eines genialen Dreigestirns in einer Zeitepoche, die wir heute – jedenfalls soweit es die Dichtung anbelangt – als „die Klassik“ bezeichnen. Schiller und Iffland in Mannheim, Goethe und Iffland in Weimar, Schiller in Jena, Iffland in Berlin, sind die tragenden Figuren, die sich in ihren Leistungen gegenseitig beflügeln und motivieren. Drei Giganten, jeder in seinem Fach, als Dichter, Dramatiker, Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor. Iffland setzt Maßstäbe als Hauptdarsteller „Franz Moor“ in Schillers Uraufführung von „Die Räuber“. Goethe ist von Ifflands Schauspiel begeistert, lädt ihn in sein Hoftheater zu Weimar ein, führt dort Ifflands Dramen auf, läßt Iffland als „Egmont“ in seinem gleichnamigen Schauspiel auftreten, schreibt für eines der Ifflandschen Dramen eigens einen Prolog. Im Hoftheater Weimar werden unter Goethes Leitung mehr Dramen von Iffland aufgeführt als von Schiller und selbst als von Goethe. Iffland als Theaterdirektor in Berlin bringt die neuen Dramen von Goethe und Schiller heraus. Er zieht – um es mal drastisch auszudrücken – dem schwerkranken Schiller (er hatte seit seiner Mannheimer Zeit zeitlebens Malaria) die großen klassichen Dramen Maria Stuart, Jungfrau von Orleans und Wilhelm Tell „aus der Nase“. Er bekommt oft schon die ersten Akte zugesandt und befeuert den schwerkranken Dichter zu Leistungen, die anders wahrscheinlich nie erbracht worden wären. Ohne Iffland hätte es wahrscheinlich so manches klassische Drama von Goethe oder Schiller gar nicht gegeben.<br /><br />Von diesen drei Giganten der Klassik (jeder brauchte jeden) sind Schiller und Goethe heute noch bekannt. Iffland ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Schiller hat in seinem Prolog zu „Wallensteins Lager“ anläßlich der Einweihung des erneuerten Weimarer Hoftheaters Iffland die ehrenden Worte gewidmet: „Ein edler Meister stand auf diesem Platz“ sowie „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze“<br /><br />Ich möchte Leben und Werk von August Wilhelm Iffland wieder etwas der Vergessenheit entreißen und auch auf seine Bedeutung für die heutige Zeit eingehen. Daß der Schauspieler in der Gesellschaft etwas gilt, verdanken wir ihm. Vor ihm galten die Schauspieler weitgehend als fahrende „mimici et ioculatores“, als Mimen und Spaßmacher, die in Form von Schauspielergesellschaften als fahrendes Volk durch die Lande zogen („Hängt die Wäsche ab, die Schauspieler kommen“). Kaum einer der heutigen „Stars“ im Berufe von Filmschauspielern oder Theaterschauspielern ahnt, wem er die heutige Bedeutung des Schauspielertums verdankt. Iffland war der erste Schauspieler in Europa, der geadelt wurde. Als Nachfahre der Familie Iffland fühle ich mich verpflichtet, ihm ein bißchen Wiedergutmachung angedeihen zu lassen.<br /><br />Lassen Sie sich von mir mitnehmen auf eine Zeitreise in eine ferne vergangene Zeit, die wir heute als die tragendste Epoche der Kulturgeschichte unseres Landes ansehen müssen: Die Klassik. Es gab noch nicht die für unser Land – vor allem auch ethisch – leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege, das christliche Abendland war noch prägendes Ideal. Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war noch vorhanden, aber politisch erstarrt und stand kurz vor der Auflösung. Duodez-Fürsten regierten ein zersplittertes Land, das gerade begonnen hatte, sich von der Katastrophe – Hunger, Krieg, Mord und Totschlag, Elend, Pest etc. – des 30jährigen Krieges zu erholen. Neben den Adel trat nun, begünstigt durch Handel und Gewerbe, ein immer stärkeres und selbstbewußteres Bürgertum. Erst dieses Bürgertum brachte durch seine Arbeitsteilung – wie überall – bescheidenen Wohlstand, der als Voraussetzung für ein aufblühendes Kulturleben angesehen werden kann.<br /><br />In Frankreich machten sich in der Revolution von 1789 die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit breit. In der der Revolution nachfolgenden Konfusion schwang sich Napoleon zum Herrscher auf und warf begehrliche Blicke auf die Nachbarländer. Den Blicken folgten alsbald auch militärische Aktionen – etwa in Italien, Deutschland, Spanien usw. Das wiederum weckte im zersplitterten Deutschland den Wunsch nach Einheit, nach Freiheit und nach Verfassungsmäßigkeit, wobei allerdings immer noch die Monarchie als tragende Staatsform angesehen wurde.</p>
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