Beschreibung
Über deutschsprachige Rossarzneihandschriften aus der sog. Stallmeisterzeit (ca. Mitte 13. bis Mitte 18. Jh.) sind bereits zahlreiche Dissertationen erschienen, in denen die Texte transkribiert und interpretiert sowie durch Glossare erschlossen wurden (zuletzt Graf 2003,Werth 2006). Anders verhält es sich mit fremdsprachigen historischen Manuskripten. Sie stellen Rara in den Fachbibliotheken dar und sind — bis auf wenige Titel — unbearbeitet (z. B. Decker 1974, Hiepe 1990, Shirzadian 1991, Kunz 1992 und Heede 1997). Diese Feststellung trifft auch auf die in vorliegender Arbeit edierte französische Handschrift, aus der Zeit um 1700 zu, in der unter dem Titel „Livre pour toutes sortes de maux qui pourront arriver aux chevaux“ = ´Buch über alle Arten von Übeln, die Pferde bekommen können´ Rezepturen für die Behandlung von Pferdekrankheiten aufgelistet sind. Der Aufbau des 229 Seiten umfassenden Manuskripts eines anonymen Autors weicht von den meisten deutschsprachigen Rezeptsammlungen in einigen Merkmalen ab. Einführend enthalten die Seiten 1–14 der Handschrift: eine kurze Beschreibung des „Berufsbildes“ des Stallmeisters, eine grobe und oberflächliche Aufzählung anatomischer Strukturen, Hinweise über Ort und Zeitpunkt zur Durchführung von Aderlässen, eine (unvollständige) Aufzählung der in der (Tier)Medizin gebräuchlichen Gewichte und deren Abkürzungen, eine kurze Aufzählung gebräuchlicher Salben, Öle und Heilwässer für äußerliche Anwendungen. Auf den Seiten 15–253 folgt dann die eigentliche Rezeptsammlung, bestehend aus 246 Rezepten. Einigen Rezepturen gehen zum Zweck einer genaueren Diagnostik kurze Beschreibungen der entsprechenden Krankheit voraus, die etlichen deutschen Texten fehlen. Die Seiten 253–265 enthalten abschließend ein Inhaltsverzeichnis.1 Grundlage vorliegender Arbeit bildet die buchstaben- und zeilengetreue Textwiedergabe der Handschrift in französischer Sprache und die wortgetreue Übersetzung des Textes ins Deutsche. Das Manuskript wird zweisprachig ediert. Dem Originaltext auf den linken geraden Seiten (verso folio) wird die Übersetzung auf den rechten ungeraden Seiten (recto folio) gegenübergestellt. Inhaltlich wird die Handschrift mit zeitgenössischen Werken verglichen, ins-besondere mit dem anonym verfassten „Le Grand Maréchal Expert et François“. Dieses Buch erschien erstmals Mitte des 17. Jahrhunderts und wurde zum „Bestseller“. Eine Ausgabe der 1701 gedruckten 4. Auflage befindet sich im Besitz des Fachgebiets Geschichte der Veterinärmedizin und der Haustiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Abschließend erfolgt eine veterinärmedizinisch-fachhistorische Beurteilung des Textes. Bedingt durch den großen Umfang der Handschrift, lässt sich ein Missverhältnis zwischen dokumentatorisch-übersetzerischem und fachlich-interpretatorischem Teil nicht vermeiden. Die Methodik zur Textwiedergabe und Übersetzung wird in Kapitel 4 (s. S. 52 ff.) unmittelbar vor diesem Teil erklärt.